Rapfen rasant – 87 Stück an einem Tag

(von Florian Läufer - Auszug aus seinem Buch Rapfen - Jäger der Flüsse)
 
Das kann wohl jeder Vater bestätigen: Die schönsten Angeltage sind die, an denen man mit seinen Kindern am Wasser unterwegs ist. Ich habe meinen Sohn Dennis und seine zwei Jahre jüngere Schwester Julia die ersten Male mitgenommen, als sie drei Jahre alt waren. Am Anfang war es natürlich mehr betreutes Angeln mit allerlei Ablenkung, als wirklich ernst zu nehmende Fischerei. Nachdem der Grundstein gelegt war, entwickelten sich die Kids mit wachsender Begeisterung aber schnell zu selbständigen Anglern. Heute sind sie meine liebsten Angelpartner, denen ich jeden Fisch mehr gönne, als mir selbst. Außerdem lernen wir sehr viel voneinander. Während ich die technische Seite des Angelns vermitteln kann, sind sie mir in Sachen Unbefangenheit weit voraus. Schon oft warfen sie ihren Köder an eine Stelle bei der ich dachte, nein, überzeugt war, dass sich dort nicht mal fingerlange Plötzen aufhielten. Manchmal hatte ich Recht, häufig aber auch nicht.

 
„Baaam!“ – Bisse im Minutentakt
Inzwischen ist es schon 4 Jahre her, Dennis war noch keine zehn Jahre alt, als ich mit ihm einen Bootsangeltag auf der Elbe verbrachte. Es lief rund: Beim Gummifischangeln konnten wir schon vier kleinere Zander fangen und an den üblichen Spots hatten wir bereits fünf Rapfen aus dem Wasser gekitzelt. Kein schlechtes Ergebnis für einen heißen Julitag. Dass wir an diesem Tag aber einen neuen persönlichen Rapfenrekord aufstellen würden der nur sehr schwer zu überbieten sein wird, konnten wir zu diesem Zeitpunkt nicht mal ahnen.
Nachdem wir wieder eine Angelstelle verlassen hatten, fuhren wir flussaufwärts. Kurz vor einer Flusskurve führt eine Autobahnbrücke über den Strom, deren zwei Pfeiler von der harten Strömung umspült werden. Einer steht vor der linken, der andere vor der rechten Uferseite. Das gekräuselte Wasser zog eine sicherlich 25 Meter lange Spur im Strömungsschatten der beiden Träger. Als wir dem rechten Pfeiler näher kamen, entdeckte ich eine große Anzahl Rapfen, die ihren Körper immer wieder aus dem verwirbelten Wasser schoben. Sie zeigten zwar kein Jagdverhalten, gaben sich aber sehr deutlich zu erkennen. Es juckte in den Fingern, denn ich wusste, dass wir in den nächsten fünf Minuten ganz sicher einen der Burschen fangen würden. Ich fuhr etwas stromauf, ließ den Anker elf Meter tief zum Grund sinken und legte die eineinhalbfache Länge des Ankerseils heraus, bis das Boot direkt neben dem heißen Bereich fixiert war. Ich ließ Dennis den ersten Wurf, der nun quer zur Strömung das verwirbelte Wasser überwarf und - „Baaam!“- nach wenigen Kurbelumdrehungen den ersten Fisch auf seinen ASP-Spinner haken konnte. Na bitte, klappt doch! Auch sein zweiter Wurf und der dritte und vierte brachten Fisch. 
Unglaublich, die Rapfen waren wie verrückt nach seinem Köder. Jetzt war auch ich an der Reihe – und fing ebenfalls prompt einen guten Fisch. Nach und nach waren mehr Würfe erforderlich, um einen Biss zu bekommen, bis diese schließlich vollständig ausblieben. Immerhin: neun Fische brachte uns diese Stelle, die wir bis dahin rund 30 Minuten befischt hatten.
 
Seitenwechsel
Ich ächzte den schweren Anker herauf und Dennis und ich wussten beide, was nun zu tun sei: den anderen Pfeiler befischen. Als wir an der linken Uferseite ankamen, bot sich das gleiche Schauspiel, wie wir es eben schon gesehen hatten - eine sehr große Schule Rapfen fühlte sich im Strömungsschatten des Brückenbauwerks wohl. Also, Anker wieder runter, erster Wurf und „Baaam!“ schon hing der nächste Fisch. Un-glaub-lich! Die Strömung war wirklich stark und es sah aus, als hätte sich der gesamte Rapfenbestand der Elbe hinter diesen beiden Brückenpfeilern verschanzt. Die Fische kämpften ausgesprochen gut und die harte Strömung tat ihr Übriges, dass jeder einzelne Rapfen nicht nur ordentlich Spektakel machte, sondern zusätzlich den Strömungsdruck für sich nutzen konnte. Kaum ein Fisch war kleiner als 55 Zentimeter, viele waren gut über 60, einige sogar über 70 Zentimeter lang – Wahnsinn!
Wieder fingen wir knapp zehn Fische an dieser Stelle, bis sich die restlichen Rapfen wieder in etwas tiefere Wasserschichten verabschiedeten und den Köder erst nur noch anstupsten, um ihn dann vollkommen zu ignorieren. Wir hatten jetzt mehr als 20 Rapfen im Fangbuch stehen, was an sich schon ein bemerkenswertes Tagesergebnis ist. Aber da wir auf dieser Uferseite jetzt knapp 40 Minuten gefischt hatten, hieß das gleichzeitig, dass der andere Brückenpfeiler 40 Minuten Ruhe vor uns hatte. Wir beschlossen, wieder auf die andere Seite zu fahren. Vielleicht ließ sich ja wieder ein Fisch zum Biss verleiten. Wir waren sicher, dass der Schwarm noch da sein würde, ob sich die Rapfen aber wieder für unsere Köder interessierten, war zumindest fraglich.
 
Anker runter – Anker hoch
Als wir drüben ankamen, bot sich uns erstaunlicherweise wieder das gleiche Bild wie vorher: Die Fische schwammen vergnügt durch das verwirbelte Wasser, als wäre niemals etwas geschehen. Das weitere Vorgehen war klar: Anker runter – „Baaam!“
Jetzt wurde es unverschämt. Wieder stürzte sich Fisch auf Fisch auf unsere Köder. Die Strömung war so stark, dass der Anker trotz des lang ausgelegten Seils im sandigen Boden des Flussgrundes kaum hielt. Wir hatten pro Ankerplatz eine knappe Viertelstunde Zeit den heißen Bereich abzuwerfen, dann waren wir soweit runtergetrieben, dass ich den Anker wieder hochholen musste, um neu anzusetzen. Die spektakulären Drills, die knallende Sonne und das mit Adrenalin verseuchte Blut trugen ihren Teil dazu bei, dass es wirklich anstrengend wurde. Ein Luxusproblem, ich weiß, aber es artete bald in echter Arbeit aus. Und ich machte die Erfahrung, dass es so etwas wie einen „Fangrausch“ tatsächlich gibt. Dennis und ich vergaßen alles um uns herum, wir waren jetzt mitten im Fisch. Anker runter  - Auswerfen – Biss – Drillen – Fisch versorgen – Auswerfen – Biss – Drillen – Anker hoch – Uferseite wechseln – Anker runter – Biss…….. So ging es. Stundenlang.
 
Heute ist Zahltag
Mit einem kleinen Zähler den ich mal für wenige Euros gekauft hatte, hielten wir die Anzahl unserer Fische fest. Bei jedem Fisch gab es einen Knopfdruck. Die Anzahl stieg wie der Kilometerzähler im Auto auf der Landstraße. Als der Zähler bei über 60 Fischen war, begann (nicht nur) Dennis zu schwächeln. Ich trieb ihn an: „Komm Dennis, einmal fahren wir noch auf die andere Seite, dann machen wir Schluss. Die 70 machen wir noch voll!“ Wir machten sie voll. Und wechselten nochmals die Uferseite. Anker runter – Auswerfen – Biss! 77..,78…,79! „Los Dennis, die Acht sehen wir noch auf unserem Zähler!“ Ich war selbst völlig im Eimer. (Foto: Der Zähler (unten rechts im Bild) hatte am Ende des Tages 87 Fische auf der Uhr.) Die Muskeln in meinen Armen waren längst übersäuert und schmerzten. Dennis erging es kaum anders. Er schwitzte, aber auf seiner Schulter saßen Engelchen und Teufelchen, die ihm unterschiedliche Dinge ins Ohr flüsterten. Er wankte zwischen nicht mehr können, aber noch mehr wollen. Wir wechselten nochmal die Uferseite und das Beißen startete von Neuem. Die Fische waren wie von Sinnen und es hörte einfach nicht mehr auf. Egal welchen Köder wir verwendeten, die Fische nahmen alles. Kaum zu glauben, dass man sich an manchen Tagen mühsam ein oder zwei Rapfen zusammenhungern muss und heute alles so anders war. Es war der Tag, an dem einfach alles passte.
Als wir eine 87 auf unserem Zähler stehen hatten, siegte die Vernunft. Dennis war erledigt, ich war erledigt und wir hatten alles erlebt, was man beim Rapfenangeln nur erleben kann. Wir hätten noch mehr fangen können, aber hätte das noch einen Unterschied gemacht? Anker hoch – wir traten den Heimweg an. Niemals wieder hatte ich an einem Tag auch nur annähernd so viele Rapfen im Boot, wie an diesem heißen Julitag mit meinem zehnjährigen Sohn und Angelpartner Dennis. Gigantisch!



Rapfenangeln - Angeln auf Rapfen ist alles andere als langweilig:

 


 

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