Salty Urban Style – Wolfsbarschangeln mal anders
Salty Urban Style – Wolfsbarschangeln mal anders
(von Rob Staigis)
Street- oder Urban Fishing sind mittlerweile geflügelte Worte, lauscht man modernen Süßwasser-Spinnanglern. Hierbei ist das Angeln an, in, und um unnatürliche bzw. von Menschenhand geschaffene Gewässer oder Gewässerstrukturen (Kanäle, Häfen oder Industrieanlagen) gemeint. Zielfisch dieser Angelei ist häufig der gewöhnliche Flussbarsch. Was hat dann diese Form der Angelei mit dem im Salzwasser lebenden Wolfsbarsch zu tun?
Eigentlich wird doch immer davon gesprochen, dass beim erfolgreichen Wolfsbarschangeln die Gezeitenströmung eine entscheidende Rolle spielt und man nur direkt am Meer auf diese Spezies stößt; so dachten jedenfalls auch wir in der Vergangenheit. Doch eine spontane Idee ließ uns Umdenken. Auslöser war ein Werbevideo eines japanischen Geräteherstellers, in dem das Angeln auf den Suzuki (japanischer Vetter unseres europäischen Wolfsbarsches) thematisiert wurde. Gefischt wurde mit Kunstködern an der Küste, im Hafen und in meeresnahen Kanälen, also sozusagen im „salty urban fishing style“. In den Sinn kam mir dieses Video bei einer Wolfsbarsch-Tour zum Europoort, dem Überseehafen nähe Rotterdam. Schaut man sich diesen gigantischen Überseehafen etwas genauer an, sind die Gegebenheiten dort durchaus identisch mit denen in Japan. Ich erzählte meinen Mitanglern - alles eingefleischte Wolfsbarschfreaks - von meiner Idee, es doch einmal direkt im Hafen zu versuchen, erntete allerdings nur Kopfschütteln. Meinen ersten Versuch startete ich dann an einem Schiffsanleger mitten im Europoort. Natürlich unter den belächelnden Blicken der anderen. Als ich jedoch nach dem dritten Wurf mit krummer Rute dastand, änderte sich ihr Gesichtsausdruck in überraschtes Staunen.
Dieses Szenario ist mittlerweile einige Jahre her und ich probierte mit wachsendem Erfolg einige solcher Spots mit ähnlichen Strukturen: Häfen, Kanäle, Schleusenanlagen wie z.B. die, die vom Ijsselmeer (Niederlande) bis zur Nordsee führt. Nach einigem Probieren mit verschiedenen Taktiken und Ködern stellte sich der Erfolg schnell ein. Ich vergleiche dieses Angeln immer mit dem sogenannten Street Fishing auf Flussbarsch, nur dass die Spots und Köder andere Dimensionen besitzen, da mit minimaler Ausrüstung (sogenanntem 'light Tackle') gefischt wird. Nämlich mit leichten Ruten mit einem Wurfgewicht von 30g und Ködern bis zu einer Länge von 10cm. Für das Angeln auf Wolfsbarsch ist dieses Angelgerät zu leicht und die Köder im Durchschnitt zu klein. Beim Urban Fishing auf Wolfsbarsch sollte daher etwas gröberes Gerät gewählt werden. Nicht nur, weil der Zielfisch größer ist, auch da seine Kampfkraft um ein Vielfaches stärker ist. Eine gewisse Gezeitenströmung finden wir übrigens an jedem Spot, auch wenn er weit von der Küste entfernt liegt. Die sogenannte tidenabhängige Zone erstreckt sich noch viele Kilometer landeinwärts. Mein Lieblings-Wolfsbarschspot befindet sich fast 10 Kilometer von der Nordsee entfernt. Eine leichte Strömung ist dort immer vorhanden, auch wenn man sie kaum bemerkt. Fällt diese Gezeitenströmung eher schwach aus, können wir sie getrost vernachlässigen, da sie ist für den Fangerfolg zweitrangig ist.
Häfen
Der riesige Europoort (Rotterdam/Niederlande) ist eher die Ausnahme unter den Häfen. In der Regel sind Häfen an der Nordsee deutlich kleiner. Hier finden wir eine Fülle von Hotspots wie Spundwände, Steinschüttungen, Schiffsanleger oder Steiger und zu guter Letzt die Hafenmolen - einer der längsten Spots am Hafen. Bis auf die Hafenmole sind alle Spots ziemlich mit denen in Süßwasserhäfen identisch, fischen wir auf Flussbarsch. Daher ist auch die Taktik ähnlich, mit Ausnahme der Köder bzw. der Ködergröße, die beim Angeln auf Wolfsbarsch deutlich größer ausfallen. Wobbler oder Shads um die 8 - 15cm fangen deutlich besser. Auch die Art und Weise der Köderpräsentation ist genauso variantenreich wie beim Angeln im Süßwasser. Ob wir nun den Wobbler am Hotspot vorbei twitchen, jerken oder schlicht nur einholen, ob wir den Shad über Grund jiggen oder nur langsam darüber hinweg schleifen, der Fisch mit seinem aktiven oder eher passiven Jagdverhalten bestimmt den Führungsstil. Deshalb heißt es auch beim Wolfsbarschangeln: Ausprobieren, was fängt; bei der Köderpräsentation wie bei der Köderwahl. Man muss testen, was bei den Wolfsbarschen ankommt. Genaue Regeln was Größe, Farbe oder Führungsstile betrifft gibt es eigentlich nicht. Beginnt man mit dem Fischen, kann man sich wohl nach dem Saisonzeitpunkt oder in Bezug auf die Köderfarbwahl nach der Trübung des Wassers richten. Mit der Zeit wird man jedoch feststellen, dass auch das Gegenteil zutrifft, was nicht selten beim Fischen auf Wolfsbarsch der Fall ist. So z.B. auffällige Köderfarben bei klarem Wasser oder das zu Saisonbeginn im Verhältnis größere Köder besser fangen, als die augenscheinliche Größe der Beutefische am Angelspot. Da sich in den Seehäfen alle möglichen Fischarten tummeln, ist die Bestimmung der Köder nicht einfach. Wer viel probiert fängt!
Brücken
Brücken über Meerengen, Hafenkanäle oder Flussmündungen sind wie auch im Süßwasser wahre Fischmagneten. Strömungsschatten spendende Pfeiler, an denen sich allerlei Kleingetier wie kleine Fische, Krebse und Garnelen sammeln, tiefe Ausspülungen hinter oder vor den Pfeilern, die Brücke selbst als Schattenspender vor Sonnenlicht, an der sich die Räuber über Tag häufig aufhalten, aber auch die ersten hundert Meter vor oder hinter der Brücke können der Spot sein, wo die Wolfsbarsche auf Beutezug gehen. Hier sollten alle Spots gut unter die Lupe genommen werden; der Wolfsbarsch geht überall auf die Jagd. Selten halten sie sich an ein und demselben Platz auf. Je nachdem, wo sich das größte Futterangebot sammelt. Ob vom Ufer oder Boot bzw. Kajak, die Angeltaktiken und -techniken, die wir vom Fischen im Süßwasser her kennen, bringen den ersehnten Anbiss. Selbst in bester Vertikalmanier beim Driftfischen vom Boot oder Kajak wie es erfolgreich beim Zanderfischen praktiziert wird, konnten wir durch leichtes Zupfen des Köders über Grund Wolfsbarsche zum Anbiss überreden. Wie man sieht, muss man das Angeln auf Wolfsbarsch nicht neu erfinden, nur sollte man bereit sein, auch nach Anglerverständnis Absurdes auszuprobieren. Das Angeln auf Wolfsbarsch stellt in meinen Augen seine ganz eigenen Herausforderungen dar. Was an einem Tag fängt, kann am folgenden Tag wieder „out“ sein; ein Spot, der an einem Tag viel Fisch brachte, ist am folgenden verweist.
Schleusenanlagen
Schleusenanlagen, die das Meer von Binnengewässern trennen oder als Schutz vor Ebbe und Flut errichtet wurden, sind das dritte von Menschenhand errichtete Wolfsbarschrevier. Auch hier finden wir eine Fülle von guten Spots, die sorgfältig und aufmerksam abgefischt werden sollten. Zum einen ist der Bereich an den Schleusentoren selbst mit Spots gespickt. Spundwände, Steinschüttungen und die tiefen Ausspülungen vor den Schleusentoren bedeuten potenzielle Beutesammelplätze. Vor allem, wenn das Wasser aus der Schleuse gedrückt wird, sind die Wolfsbarsche auf der Jagd. Ein sicheres Zeichen für die Anwesenheit der Wolfsbarsche ist, wenn überall kleine Fische vor Panik aus dem Wasser springen. Aber auch wenn keine Aktivität an der Wasseroberfläche auszumachen ist, können Wolfsbarsche anwesend und auf der Jagd sein. Manchmal spielt sich das Rauben im Verborgenen, nur einige Zentimeter unter der Wasseroberfläche oder sogar ausschließlich am Grund ab. Ein sorgfältiges Befischen dieses Hotspots ist anzuraten, da hier die größte Chance auf Fangerfolg gegeben ist. Weiterhin finden wir an solchen Anlagen auf Pontons schwimmende Prallwände, Steiger oder Anlegepoller (große Metallpfeiler, gedacht zum Festmachen für Schiffe mit großem Tiefgang), alles Spots, an denen Wolfsbarsche auf der Pirsch nach Beute sind.
Köder und Taktik
Die Erfolgstaktik zum Angeln auf Wolfsbarsch ist mit den Worten „suchen und ausprobieren“ schnell beschrieben. Wolfsbarsche ziehen in Schulen rastlos umher oder legen sich für kurze Zeit am Grund auf die Lauer. Nur wer mobil ist, erlebt auf Dauer das unbeschreibliche Drillvergnügen mit diesem harten Kämpfer am häufigsten. Der Erfolgsköder ist meistens der, den man nicht dabei hat. Genau dieses Denken kommt uns Spinnanglern oft in die Quere. Oberstes Gebot bei der Wahl des Köders ist Vertrauen, denn nur so wird dieser auch dem Wolfsbarsch schmackhaft präsentiert. Ob der Rücken des Wobblers eher in grün gehalten ist oder doch ins blaue geht, ist dem Wolfsbarsch völlig egal. Ich persönlich unterscheide nur in Naturfarben oder grelle Schockfarben wie pink. Fängt der eine in Naturfarben gehaltene Wobbler nicht, kommt einer mit grellen Farben ans Band. Will auch auf diesen kein Wolfsbarsch beißen, sind sie wohl nicht anwesend oder liegen satt am Grund. Dann heißt es nur: Platzwechsel.
Gerät
Langes Suchen der Wolfsbarsche mit vielen Würfen erfordert ein leichtes Tackle.
Um den gesamten Tag über relativ ermüdungsfrei zu fischen, eignen sich Spinnruten mit einer Länge von 2,40m oder 2,70m mit einem WG bis maximal 50g. Straffe Aktion - vom Hersteller angegeben als „fast“ bzw. „extra fast action“ - sollte die Rute besitzen, damit wir beim Angeln mit Shads leichte Bleiköpfe verwenden können. Umso länger sich die Shads im Schwebezustand einige Zentimeter über Grund halten, desto länger befindet sich der Köder im Sichtbereich der Räuber). Auch das Umsetzen einiger Führungsstile, wie das Twitchen und Jerken des Wobblers, fällt mit der straffen Aktion der Rute viel leichter, da der Köderkontakt stetig gegeben ist. Die Größe und das Gewicht der Rolle sollten mit der Spinnrute harmonieren, ein zu kopflastiges Spinngerät beschert einem am Ende der Angeltour nur ein schmerzendes Handgelenk. Die Rolle bespult mit einer geflochtenen Qualitätsschnur von rund 9kg Tragkraft sollte für unsere Nordseewölfe völlig ausreichen. Ein wichtiges Kriterium bei der Wahl der Spinnrolle ist ein ruckfreies Arbeiten der Spulenbremse. Eine fehlerhafte Rollenbremse in Kombination mit einer dehnungsarmen geflochtenen Schnur und einer harten Rute führt häufig zum Fischverlust durch Schnurbruch oder Ausschlitzen des Hakens; Wolfsbarsche sind im Drill nicht zimperlich. Zum Schutz vor rauen Steinen oder scharfkantigen Muscheln wird an der geflochtenen Schnur noch ein ca.1m langes Stück monofile Schnur oder Fluoro-Carbon geknüpft. Eine Qualitätsschnur mit einem Durchmesser von ca. 0,40mm sollte in den meisten Fällen ausreichen, dickere Schnüre beeinflussen zu sehr den Lauf der Wobbler. Als verlässlicher Verbindungsknoten der monofilen mit der geflochtenen Schnur hat sich der Albrightknoten bewährt.
Abwechslungsreiche Felsenküsten mit Geröllfeldern oder mit flachen sandigen Abschnitten suchen wir an unserer Küste vergeblich, daher bietet uns das Wolfsbarschangeln im Salty Urban Style weitere fängige Hotspots, um diesen begehrten Meeresfisch an den Haken zu bekommen.
Angeln auf Wolfsbarsch - Rotterdam
Auch das Fliegenfischen auf Wolfsbarsch lohnt sich
Das könnte Dich auch interessieren ...
Rapfen rasant
Dennis war erledigt, ich war erledigt und wir hatten alles erlebt, was man beim Rapfenangeln nur erleben kann. Wir hätten noch mehr fangen können, aber... weiter
Vertikalangeln auf Zander
Auf 17 Meter Wassertiefe bekam ich plötzlich zu meiner nicht geringen Überraschung einen Biss. Das war alles andere als ein sanfter Anbiss, er ging viel mehr knallhart durch die Rute in meinen Arm. Und ich fing einen Zander. Jan war erleichtert... weiter
Softbaits: Gummikrebse
Wenn sich die Gelegenheit bietet, wird solch ein Krebs auch mit hartem Panzer und zwickenden Scheren verputzt. Und es sind gar nicht wenige Fischarten, die sich Krebse schmecken lassen... weiter